Die Geschichte

von Werner Kohnen

2. Auf mein Leben?

Bevor ich zur Welt kam, muss ich meinen Wissensbereich mit meinem Großvater Ollig Kohnen, einer der Söhne von „Sandollig von Kruizleye“ aus Börgerwald, deren Vorfahren aus Stavern, Nordhümmling stammen, beginnen. Verheiratet mit Columbina, geborene Voskuhl, deren Vorfahren aus lhringsfehn, Ostfriesland kamen.

Meine Großeltern kauften irgendwann das Haus am Küstenkanal Nr.1. Mein Opa war groß geworden auf dem Dampfer „Kaiser Wilhelm II I“ und hatte den Frankreich-Feldzug aus dem 1.Weltkrieg weit hinter sich gelassen. Das Einzige, woran ich mich noch erinnern kann, war ein riesengroßes Gewehr mit Lanze, das ewig im Keller stand.

Mein Opa brachte es mit der Zeit auf 3 Tjalken, um den Torf, der in Börgermoor und Dörpen unweit des Küstenkanals gegraben wurde, mit den Schiffen nach Ostfriesland zu bringen, in den dortigen Ems-Sielen einfahrend zu den damals sehr reichen Polderbauern, um den gestochenen Torf als Brennware zu verkaufen.

Die Schiffe wurden mit Pferd und Wagen als Gespann gelöscht und der Torf wurde vom Schiff mit dem Gespann (Pferd und Wagen) abgeholt und dann zu den Bauernhöfen gebracht. Die Damen auf dem Bauernhof wurden mit Tee und Kandis hofiert, wo es gegenseitig dafür Schinken und Speck gab. Nach dem Löschen wurden die Schiffe auf den Emsbänken abgesetzt, um bei Niedrigwasser im Akkord Schlick aufzuladen, der dann fahrend und treidelnd auf die Landflächen zurückgebracht und aufgetragen wurde (was für eine mühselige Arbeit!).

Ich selbst kann heute noch Spuren dieser Tätigkeit durch Schilfbewuchs auf Moorlandschaft erkennen.
Auf einem dieser Schiffe von meinem Opa fuhr mein Vater, der sich irgendwann selbstständig machte und ein eigenes Schiff kaufte. Nach dem Krieg, von dem mein Vater zu Fuß von Saloniki nach Hause nach Börgermoor zurückkehrte, begann er mit der Anmietung des Motorschiffes „Apollo“ des Eigentümers Brand aus Papenburg.

Irgendwann gelang es ihm, ein eigenes Schiff aus Hamburg zu kaufen. Durch den Makler Kluth aus Hamburg, diese Maklerfamilie gibt es heute noch immer, erhielt mein Vater eine Hamburger Schute mit Namen M/S „Christel“. Das Schiff hatte ca. 90 t und wurde nach 1-2 Jahren wieder verkauft, um ein größeres Schiff zu erwerben und zwar M/S „Emsland“, einen Finow-Maas-Kahn, 41 m lang, 5,10 m breit, 1,50 m tief und 204 t, mit einem 4-Zylinder Linke-Hoffmann-Motor mit 60 PS.

Dieses Schiff erwirtschaftete ein unvorstellbares Vermögen an. Es konnte zu seiner Zeit 1953-59 zu den Gardinenwerken in Nordhorn (Nino, Rawe und Povel Webereien, die zu der Zeit ca. 21.000 Beschäftigte hatten) Fettkohle, Eierkohle und verschiedene Nusskohle-Sorten etc. transportieren. Ferner konnte mein Vater die Aller anfahren, wo er sich sehr gut auskannte. Zu seiner Zeit lagen noch viele Schleusen und Brücken in Schutt und Asche. Ich erinnere mich, dass die Frachten zu der Zeit ca. 1.500 – 2.000 DM erwirtschafteten pro Ladung. Das war nach dem Krieg eine nicht vorstellbare Menge an Geld bzw. auch an Kapital.

Diese Fahrten wurden bereedert durch die Firmen Büttner, Haniel, Stinnes. Die Frachten kamen im Wesentlichen von den Zechen „Unser Fritz“, „KönigLudwig“, „Hibernia“ und „Fürst Bismarck“ und der Zeche „Prosper“.
1959 war es dann so weit, dass mein Vater einen Schleppkahn kaufen konnte von Hugo Stinnes persönlich aus Mühlheim. Dies war ein Main-Schleppkahn mit 43 m Länge, 6,10 m Breite und 1,70 Tiefgang.
Dieses Schiff wurde noch 1 Jahr als Schleppkahn benutzt, zu der Zeit war die Schleppschifffahrt noch sehr aktiv.
1959 kaufte mein Vater durch den Schiffsmakler Kluth aus Harnburg einen 6-Zylinder Dieselmotor MWM RHS 230 S aus einem Fischlogger. Dieser Motor war bestimmt für den Schleppkahn M/S „Werner-Gisela“ meines Vaters, wozu das Schiff umgebaut wurde. Dies geschah auf den Schiffswerften in Groningen und Foxhol des Schiffseigentümers Hicken.
Hier möchte ich noch betonen, dass meine Eltern die ersten Schiffseigentümer waren, die im nordholländischen Raum nach dem Krieg ein Schiff umbauen ließen.
Das Schiff wurde umgebaut vom Schleppkahn zum Motorschiff, es bekam im Wesentlichen einen Maschinenraum im hinteren Teil, ein angebautes Tunnelstück für die Schiffsschraube, eine neue Roof, ein neues Lukendach, das verschalkt werden konnte als Zweiraumschiff und Ausbau der vorderen Wohnung mit einem absenkbaren Bugruder, und insgesamt wurde das ganze Schiff um 50 cm erhöht, so dass es einen Tiefgang von 2,30 m hatte und besaß dadurch eine Tonnage von 408 t.
Dieses Schiff fuhr mein Vater bis 1968, wurde bereedert durch die Brenntag (Zweigfirma Hugo Stinnes) und fuhr im Wesentlichen durch ein eigenes Staupatent meines Vaters Koks der Sorten 1, 2, 3 und 4 sowie Brechkoks, genannt Blumenkohl, von den vorgenannten Zechen zu den Häfen Hannover-Linden, Hannover Nord, Hannover-Brink, Misburg, Peine und Salzgitter sowie Braunschweig zur Versorgung der amerikanischen Baracken. Auf den Rückreisen wurde meistens nach Säuberung der Laderäume Getreide zu den Großmühlen nach Münster, Hamm, Dortmund, Duisburg und Köln zurückgebracht. Dies war zur Versorgung der Menschen sehr nötig. Hinzu kamen auch manchmal die Kunstdüngerfrachten, im Wesentlichen Kali, die damit einhergingen.

Hiermit kommen wir zu mir selber.

Ich, Werner Kohnen, bin geboren auf einem kleinen Berg in Lathen I Ems am 16.12.1947. Dort war seiner Zeit ein Krankenhaus. Getauft in der St. Vitus-Kirche in Lathen. Meine Eltern Thekla und Bernhard Kohnen lagen mit ihrem gemieteten Schiff M/S „Apollo“ bei den Hartsteinwerken in Fresenburg, vor dem Eingang des alten Emsarms.
Hierbei soll nicht vergessen werden, es war zu dieser historischen Winterzeit eine enorme Not an Beschaffung von Lebensmitteln. Das hieß mein Vater musste für den Transport zu meiner Geburt ins Krankenhaus für das Taxi 1Fuhre Torf liefern, 1 kg Kandis, 500 g Tee und 20 Reichsmark bezahlen. Man kann sich vorstellen, was für Not geherrscht hat, damit der Taxifahrer zu diesem Ansinnen kam.
Es war zu der Zeit auch schwerer Eisgang auf der Ems. Ich selber bin auf der M/S „Christel“, „Emsland“ und „Werner-Gisela“ in Ferienzeiten groß geworden.

ln der Zeit, als meine Schwester zur Welt kommen sollte, mietete mein Vater von der Firma Niemer aus Meppen einen Kunstdüngerschuppen in Rühler-Twist an. Dort verbrachte ich meine sehr glückliche und wunderschöne Kindheit. Das Spiel mit den Nachbarskindern war eine Wohltat fürs ganze Leben.
Dieses Provisorium war ein so ruhiger Zufluchtsort, da viele Verwandte und Bekannte uns besuchten.
Mein Vater kam öfter mit dem Schiff zu der Zeit an den Nord-Süd-Kanal, der von Nordhorn bis Rütenbrock führte, mit Kali von Hannover, was die Bauern so dringend brauchten.
Zu der Zeit gab es aus Not die Schmuggelwirtschaft an der holländischen Grenze, worauf ich hier im Einzelnen nicht näher eingehen möchte, aber der ein oder andere konnte aus der Zeit der ein oder anderen Story freien Lauf lassen.
Da dies ein Provisorium war, holte uns mein Opa Ollig Kohnen aus Surwold, Börgermoor am Küstenkanal 1 zum damaligen Stammsitz der Familie Kohnen zu sich in die oberen Stockwerke des Hauses.
ln den folgenden Jahren verblieb ich bei meinen Großeltern, da meine Mutter als Matrose und Steuermann mit auf dem Schiff meines Vaters Geld verdienen musste. (Ein ganz großes Thema: Frauen nach den Kriegswirren) Dies ging nicht nur mir so, sondern auch meinem Onkel Ulrich Kohnen mit dem Schiff „Erna-Luisa“ mit 130 t Tragkraft, ein Original Hamburger Binnenklipper und meinem Onkel Heinrich mit einer Original holländischen Tjalk (1 04 t).

Bei meinen Großeltern bewirtschaftete ich durch deren Alter zusehends immer mehr den ganzen Bauernhof. Dieser bestand aus ca. 5 ha, 3-Felder-Wirtschaft, das heißt ich hatte 4 Kühe, 4-6 Schweine, 3-4 Heidschnucken, 33 Hühner und ein Panje-Pferd zu versorgen.

Die 4 Kühe gaben morgens und abends ca. 6-8 Liter Milch, die ich in 12-14 Minuten melken konnte und nicht nur das. Heißt Torf reinholen, Holz kleinhacken, niedersächsischen Kreuzgarten bearbeiten, hinterm Pferd pflügen, Heu einholen, Berge von Kartoffeln und Steckrüben mit Hand pflanzen und einsammeln, sowie Rüben ziehen.

Nebenbei ging die Schule einher. Das ging so weit, dass ich in der 3.Schulklasse nicht versetzt werden sollte, d.h. nach heutiger Schulnorm käme ich in die Sonderschule.
Dagegen wusste meine Mutter Rat und kaufte mir Bücher, die zu der Zeit keiner bei uns im Dorf besaß.
Das ging bei mir dann soweit, dass ich in der 5.Schuljahrklasse durch besondere Qualitäten Klassenstunden in Rechnen und Erdkunde geben durfte. Dies dürfte einigen meiner Mitschüler in Erinnerung geblieben sein.

Ich möchte heute im Nachhinein sagen, ich habe mich immer riesig gefreut, wenn Ferien waren. Ich durfte mit dem Fahrrad von Börgermoor nach Papenburg zum Bahnhof fahren, fuhr dann alleine ab dem 7.Lebensjahr mit dem Zug zu meinen Eltern nach Hannover, Münster oder ins Ruhrgebiet, wo mich mein Vater oder meine Mutter vom Bahnhof abholte und ich die glücklichsten Tage meines Lebens bei meinen Eltern auf dem Schiff verbringen durfte. Die Rückfahrt zu meinen Großeltern war demzufolge nicht so schön.

Die Hauptschule leistete ich bis zu 8 1/2 Jahre ab. Da meine jüngere Schwester Anita (geboren am 19.12.1962 in Anmarsch war, verließ ich die Hauptschule und meldete mich in dem Land Nordrhein-Westfalen in der Ortschaft Bevergern bei der Familie Thörner an. ln dem Jahr (1963) war in Niedersachsen das 9. Schuljahr eingeführt und in Nordrhein-Westfalen galt noch das achte Schuljahr. Nicht vergessen möchte ich in der Schulzeit, dass ich für mein Leben gern Fußball gespielt habe und hatte die Fußballspieler-Ausweis Nummer 25254 gehabt. Desweiteren hat mir das Eislaufen sehr viel Spaß bereitet in allen Variationen.

Ich begann daraufhin auf dem elterlichen Schiff M/S „Werner-Gisela“ durch eine Lehranzeige meinen Berufsstart, hinüber zur Firma Vogelsang & Schönefeld, die groß geworden sind wie Firma Meensen aus Nordenharn und Heisterbeck aus Harnburg durch Kohleimport aus den USA, eingeleitet durch Herrn Bundeskanzler Konrad Adenauer zur Rettung der Bundesrepublik Deutschland durch den Grünen Marschall-Plan.

Das Haus meiner Großeltern
Hafen Börgermoor, Weihnachten 1963